ARTIKEL.

Uwe Heimowski
November 2014 | Entscheidung

Licht leuchtet auf! - Warum Weihnachten?

 

„Licht leuchtet auf“ – Warum Weihnachten?

 

„Ich bin religiös unmusikalisch“, winkte der junge Mann ab, mit dem ich über die Bedeutung von Weihnachten ins Gespräch gekommen war. „Meine Familie ist nicht kirchlich gebunden. Ich kenne mich da nicht aus.“ Ein Satz, der für meine Heimatstadt Gera nicht überraschend sein mag. Gerade einmal acht Prozent der Gerschen, wie man sie nennt, sind Mitglied einer christlichen Kirche. Neun von zehn nennen sich „Atheisten“. Nicht als Kampfbegriff, sondern eben, weil sie „religiös unmusikalisch“ sind. Man ist gar nicht gegen eine bestimmte Kirche oder das Christentum an sich, es spielt schlicht keine Rolle (mehr) im Leben und im Denken meiner Nachbarn.

Um hier nicht die Menschen in den neuen Bundesländern in ein schlechtes Licht zu stellen: Die gleichen Sätze höre ich mittlerweile auch in den alten Bundesländern. Selbst die christlich geprägten Regionen im Süden Deutschlands oder im Siegerland sind da längst keine Ausnahme mehr.

 

Vor einigen Jahren schrieb ich aus diesem Anlass ein kleines Weihnachtsgedicht:

 

Menschen wie wir

Esel und Ochs

Stehn in der Box.

Die Welt wird neu

Und sie fressen ihr Heu.

 

Heute würde ich es weniger frech formulieren. Denn Weihnachten ist den meisten Menschen ja keineswegs egal. Sie freuen sich auf ein paar Tage mit der Familie, machen sich viele Gedanken um angemessene Geschenke, schmücken ihren Weihnachtsbaum und, ja, es wird auch gut gegessen.

Lichter werden angezündet. Denn Weihnachten fällt auf die Zeit, mit den kürzesten Tagen des Jahres. Nie ist es dunkler als kurz vor Heiligabend.

 

Und damit sind wir schon bei einer der Bedeutungen des Weihnachtsfestes. Alle Religionen kennen Lichterfeste. Im Buddhismus etwa gibt es Pavaranafest am Ende der Regenzeit. Hindus feiern Diwali, Muslime Mevlit, Juden Chanukka, sie erinnern damit an Wiedereinweihung des zweiten Tempels im Jahr 165 v.Chr..

 

Christen und Juden stehen sich religiös sehr nahe. Beide beziehen sich gemeinsam auf den Teil der Bibel, den wir Altes Testament (AT) nennen, und sie teilen damit auch einige Traditionen. Gleich zu Beginn des ersten Buch Mose lesen wir:

„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.“ (Einheitsübersetzung)

 

Gottes erstes Wort und damit seine erste Tat, erschafft das Licht, denn Wort und Tat sind bei Gott nicht von einander zu trennen. Finsternis dagegen macht „wüst und wirr“.

Das kann man auf mehreren Ebenen verstehen. Sehr natürlich: Wenn Menschen nicht genügend Sonne bekommen, produziert der Körper zu wenig Vitamin D. In der Folge können verschiedene körperliche Erkrankungen oder auch Depressionen entstehen. Entsprechend hat Lichtmangel dann auch psychische und soziale Folgen. An Weihnachten steckt daher in jeder Kerze, die wir entzünden, auch eine Erinnerung an die Schöpfung und das Wesen des Menschen. Wer ein Licht anzündet, tut sich etwas Gutes. So war es von Gott gedacht.

Eine ganz andere Dimension eröffnet sich, wenn ich das Licht theologisch verstehe, wie es ebenfalls in jüdischen und christlichen Traditionen verankert ist.

Der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhard, dessen Schriften in den vergangenen Jahren nicht nur in christlichen Kreisen wiederentdeckt wurde, nimmt diesen Gedanken auf und spricht von einem „Seelenfunken“ des Menschen.

In jedem Menschen steckt - als Geschöpf Gottes - eine Ahnung davon, dass es etwas Göttliches geben könnte, eine unbestimmte Sehnsucht nach Gott, auch wenn die offizielle Religion in den Hintergrund gerät. „Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn“ hat der englische Schriftsteller Julian Barnes das Paradox des modernen Menschen treffend formuliert.

An Weihnachten ist diese Sehnsucht - oder vielleicht besser Ahnung? - besonders ausgeprägt. Weihnachten wird das Fest der Liebe genannt, das Fest des Friedens. Selbst hartgesottene Atheisten kennen an diesen Tagen religiöse, oder metaphysische Gefühle, oder wie immer man es nennt. Weihnachten macht etwas mit uns. Eine Weihnachtskerze brennt nicht nur, sie leuchtet. Sie erzeugt eine Stimmung. Sie berührt uns. Sie erinnert uns an unseren Ursprung.

 

Eine weitere Tradition des AT wird in Psalm 43 beschreiben: „Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten zu deinem Heiligen Berg und deiner Wohnung.“

Religiöse Gefühle sind ein elementarer Bestandteil des Menschenseins. Doch der Glaube braucht mehr. Gott ist unsichtbar. Man kann ihn ahnen, aber eben nicht sehen, nicht hören, nicht riechen, schmecken oder fühlen.

Darum hat Gott immer wieder Boten zu den Menschen geschickt, die besondere Offenbarungen bekommen haben. Moses etwa, dem die Zehn Gebote gegeben wurden. Oder Propheten wie Elia, Jesaja und Jeremia. Das waren normale Menschen. Sie hatten eine jeweils besondere Aufgabe. Nicht mehr und nicht weniger. Doch sie alle haben gesagt: Nach uns wird noch einer kommen. Eines Tages wird Gott einen Retter in die Welt schicken. „Dann wird der Herr dein ewiges Licht sein“, sagt Jesaja.

 

600 Jahre später nimmt Jesus Christus diesen Gedanken auf. Er sagt von sich „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben“ (Joh 8, 12f).

Und damit sind wir aus christlicher Sicht beim Kern des Weihnachtsfestes. Wir feiern die Geburt von Jesus. Er ist der Sohn von Maria, einer jungen jüdischen Frau aus Nazareth. Sein Vater Josef ist ein Zimmermann. Geboren wurde Jesus in Bethlehem, wohin seine Eltern gereist waren, um an einer Volkszählung teilzunehmen. Den genauen Termin kennen wir nicht, weder den Tag, noch das Jahr seiner Geburt. Seit dem vierten Jahrhundert wird der 25. Dezember als Geburtstag gefeiert, das passt sehr gut in die dunkle Jahreszeit, hat aber keinen exakten historischen Grund. Anders ist es mit der Geburt, dem Leben und dem Sterben von Jesus. Das stellt heute kein ernsthafter Historiker mehr in Frage. Es gibt erstaunlich viele gesicherte Quellen über Jesus, auch ausserhalb der Bibel. Am ausführlichsten berichten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes von Jesus. Ihre Texte, die Evangelien, sind allerdings nicht Biografien im heutigen Sinne. Vielmehr wollen sie zeigen, neben den historischen Informationen, die sie weitergeben, dass Jesus dieser lang erwartete Retter ist. Johannes schreibt: „Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr glaubend Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,30-31).

 

Darum nennen wir Jesus auch „Christus“. Dieses griechische Wort heißt übersetzt: der Gesalbte (hebräisch Meschiach oder Messias). Christen sind Menschen, die erfahren haben, dass Jesus mehr ist als ein Mensch. Gesalbt wurden Könige, Priester und Propheten. Jesus vereinigt alle diese Funktionen in seiner Person. Mit Jesus kommt Gott als Mensch in die Welt.

Darum ist Jesus das Licht der Welt. Seine Geburt ist ärmlich. Sein Lebensstil der eines Dieners. Jesus dreht die Werte um. In seiner Gegenwart wird die Finsternis erhellt. Er macht aus Feindschaft Liebe, aus Gewalt Frieden. In seiner Gegenwart werden Kranke gesund, Gebundene frei, Ausgestossene erhalten einen neuen Platz in der Gesellschaft. Wer das Leben von Jesus studiert, der erkennt bald: hier ist nicht einfach ein Mensch am Werk, sondern ein Retter.

Noch in seinem Sterben, brutal ans Kreuz geschlagen, betet Jesus für seine Mörder: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Spätestens am Ostermorgen zeigt sich dann endgültig, wer dieser Jesus ist. Das finsterste Kapitel des menschlichen Lebens ist der Tod. Auch Jesus stirbt. Verzweiflung überfällt die Menschen, die ihn liebten. Bis sich eine Gruppe von Frauen wie es Brauch war auf den Weg macht, um den Leichnam mit Ölen zu salben. Sie erstarren: Der Stein ist von der Höhle gerollt, das Grab ist leer. Jesus ist auferstanden. Doch wer kann den Tod überwinden, wenn nicht der Schöpfer des Lebens selbst? Plötzlich macht sogar das Sterben von Jesus Sinn. Hatte nicht Johannes der Täufer über ihn gesagt: „Siehe, das Lamm Gottes, welche die Sünde der Welt trägt?“

Diese Botschaft breitet sich aus wie ein Flächenbrand: Wer an Jesus glaubt und ihm nachfolgt, kann Vergebung erfahren und mit ihm ewig leben.

 

In der Finsternis der Welt scheint ein Licht. Das ist die Botschaft von Weihnachten. Sie hat bis heute nichts an ihrer Kraft verloren, wie dieses Weihnachtslied wunderbar ausdrückt:

 

„Licht bricht durch in die Dunkelheit,

bahnt den Weg in die Ewigkeit,

Leben strömt auch in uns´re Zeit.

Jesus Christus ist da.

 

Wir fragen nach dem Ziel und Sinn,

wir suchen einen Neubeginn.

Wer kennt die Richtung,

wer das Ziel, wer macht Wege klar?“

 

Weihnachten ist das Lichterfest Gottes. Christen feiern die Geburt von Jesus. Denn sie wissen: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ (Jes 9,1). Ein Licht für alle Menschen, die religiös unmusikalischen inklusive.

 

 

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